Bereit für die „Double-Mission“
Gina Lückenkemper fiebert der Heim-EM in Berlin entgegen – Ziel: Zwei Medaillen
Große Geschichten im „Spiegel“ und im „Kicker“. Dazu eine 30-Minuten- Reportage in der „ARD“ und ein Langzeit-Multimedia-Projekt in der „Stuttgarter Zeitung“. Kein anderer Leichtathlet mit Ausnahme von Diskuswurf-Olympiasieger Robert Harting vor seiner letzten großen Meisterschaft stand vor der Heim-EM in Berlin (6.-12. August) so im Fokus der Öffentlichkeit wie Gina Lückenkemper (TSV Bayer 04 Leverkusen). Die Sprinterin ist längst ein Gesicht der deutschen Leichtathletik geworden. „Sie ist ein Geschenk des Himmels für die deutsche Leichtathletik mit einer unglaublichen Strahlkraft“, sagte der langjährige Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes Clemens Prokop im aktuellen „Spiegel“.
Was aber nun zählt, ist die sportliche Leistung. Am Dienstag geht es für Soesterin gleich im 100- Meter-Halbfinale zur Sache. Die Top-12-Athleten in den Sprintdisziplinen bis zu den 400 Metern Hürden haben in den EM-Vorläufen ein Freilos. Am Dienstagabend geht es um 19:05 Uhr für Gina Lückenkemper genauso wie für Tatjana Pinto (LC Paderborn) gleich um den Einzug ins Finale (Dienstag; 21:30 Uhr). Die dritte deutsche Starterin Lisa-Marie Kwayie muss hingegen schon am Montag in den Vorläufen (17:45 Uhr) einen von zwölf verbleibenden Plätzen ergattern.
Gina Lückenkemper hat ihr EM-Ziel stets klar formuliert: „Eine Medaille im Einzel und mit der Staffel soll es sein.“ Allerdings wird es ihr die Konkurrenz auf der blauen Bahn des Olympiastadions nicht einfach machen. Mit 11,07 Sekunden liegt die Deutsche Meisterin in der europäischen 100-Meter-Bestenliste „nur“ auf Platz sechs. Angeführt wird die kontinentale Rangliste von Dina Asher Smith (Großbritannien; 10,92 sec), Mujinga Kambundji (Schweiz; 10,95 sec), 200-Meter-Europarekordlerin Dafne Schippers (Niederlande) und Carolle Zahi (Frankreich; beide 11,01 sec). Gina Lückenkemper ist damit in der Rolle der Jägerin.
Allerdings wissen sie und ihr Trainer Uli Kunst um die Stärke der 21-Jährigen bei wichtigen Rennen. „Gina ist eine echte Meisterschaftsläuferin. Sie kann, wenn es um die Medaillen geht, noch eine Extra-Portion Energie frei machen“, sagt der erfahrene Coach. Experten trauen Gina Lückenkemper im Wissen um ihre Stärken in jedem Fall am Dienstagabend den Sprint aufs Podest zu. Lediglich Dina Asher-Smith scheint außer Reichweite für die Konkurrenz zu sein. Die 22- Jährige lief die drei besten Zeiten ihrer Karriere in dieser Saison: 10,92, 10,93 und 10,97 Sekunden. Eine Konstanz auf absolutem Weltklasseniveau.
Konstanz ist in diesem Jahr auch die große Stärke von Gina Lückenkemper. Bei allen sechs Meeting-Starts lief sie zwischen 11,07 und 11,25 Sekunden. „Das ist ein absolut wichtiger Schritt nach vorn. 2017 hatte ich noch Ausreißer mit deutlich langsameren Zeiten dabei“, sagt Gina Lückenkemper. Nun hofft die 10,95-Sekunden-Sprinterin in Berlin auf einen Ausreißer nach oben. „Es wird auf jeden Fall noch weitere Rennen von mir unter elf Sekunden zu sehen geben“, ist sie sich sicher. Vielleicht ja schon am Dienstagabend im Olympiastadion?
Nach den 100 Metern ist für Gina Lückenkemper die EM aber noch längst nicht vorbei. Am Sonntagabend (12. August; 21:20 Uhr) geht die deutsche Staffel über 4x100 Meter ins Rennen um die Medaillen, vielleicht sogar um Gold. Mit 42,24 Sekunden führt das DLV-Quartett Europas
Saisonbestenliste an. Allerdings haben Staffel-Rankings vor dem Saisonhöhepunkt nur eine bedingte Aussagekraft. Knapp hinter den deutschen Sprinterinnen kommen die Schweizerinnen mit Landesrekord (42,29 sec), sie waren Anfang Juli in Lausanne vor der deutschen Staffel, die schnellen Britinnen (42,36 sec) sowie die Titelverteidigerinnen aus den Niederlanden (42,71 sec).
„Die Schweizerinnen sind super eingewechselt und die Britinnen waren letztes Jahr WM-Zweite und sind 41,86 Sekunden gelaufen“, weiß Gina Lückenkemper um die Stärken der Konkurrenz. Läuft die deutsche Staffel in Bestbesetzung, dürfte die Soesterin als Schlussläuferin zum Einsatz kommen und den Stab von Tatjana Pinto übernehmen. Gelingt der DLV-Staffel am EM- Abschlusstag in Berlin der große Coup, wäre es die Krönung der 24. Leichtathletik-EM.
Martin Neumann
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