#FitMitOhneProthese: „Aus ein bisschen fit werden wurden bei allen höhere Ziele“
„Fit mit Prothese“ hieß das Sportangebot der Parasport-Abteilung des TSV Bayer 04 Leverkusen zu Beginn, das mittlerweile in #FitMitOhneProthese umbenannt wurde.
Montags und donnerstags um 19 Uhr hat sich eine feste Gruppe gebildet, die sich mit Trainerin Sara Grädtke fit hält. Auch Menschen ohne Prothese sind willkommen.
„Die Idee war immer da, auch ein Breitensportangebot zu schaffen für Menschen, die eine Prothese haben und Sport machen wollen – aber eben keinen Leistungssport“, sagt Sara Grädtke, seit 2011 Nachwuchstrainerin in der Para Leichtathletik, unter anderem von Johannes Floors und Léon Schäfer. Im Gespräch war eine Gehschule zusammen mit APT Prothesen, die direkt an der Fritz-Jacobi-Anlage ansässig sind: „Kurz nach dem Gespräch haben wir dann auch schon mit drei Leuten angefangen, mittlerweile sind wir zu acht, wenn alle da sind. Der Jüngste ist 21, der älteste 56.“
Mit dabei ist auch Sitzvolleyball-Nationalspielerin Sonja Scholten, der die Gruppe hilft, ihre Grundfitness zu erhöhen. Zudem mache das Training viel mehr Spaß, als alleine zu trainieren: „Sara hat jeden mit seinen individuellen Voraussetzungen im Blick und holt aus jedem immer alles raus. Die Gruppe ist wirklich toll, etwas verrückt, aber alle haben einfach Spaß, zusammen alles zu geben. Wir laufen, machen viele Koordinationsübungen, die den Umgang mit der Prothese und das Gangbild verbessern und auch Kraft- und Stabilisationsübungen kommen nicht zu kurz. Auch den Austausch untereinander finde ich sehr hilfreich.“
Das ausgemachte Ziel der Gruppe: Beim Integrativen Sportfest am 21. August die 100 Meter schnellstmöglich sprinten zu können. Doch auch längere Strecken sind gefragt: Da mittlerweile alle – selbst mit einer Oberschenkelamputation – die fünf Kilometer unter 30 Minuten rennen können, ist das sekundäre Ziel eine Teilnahme an den Deutschen Halbmarathon-Meisterschaften in Berlin. Ob Grädtke dann auch selbst mitläuft? „Ganz sicher nicht“, sagt sie und lacht: „Ich werde ganz breit am Straßenrand sitzen und mir das Spektakel anschauen.“
Überhaupt ist sie überrascht, wie motiviert und dankbar alle sind: „Die machen sogar freiwillig Stabis, wollen gerne neue Disziplinen ausprobieren und schicken oft Bilder von der Fitness-Uhr und schreiben, wie krass das ist und dass sie nicht gedacht hätten, dass sie so schnell werden könnten. Aus ein bisschen fit werden wurden bei allen höhere Ziele – obwohl sich einige das Training anfangs nur anschauen wollten, dann aber dabei geblieben sind.“
Wie Kim Cremer, der in seinem Blog „Das Leben geht weiter, auch wenn es humpelt“ über sein Leben nach dem Motorradunfall und der Amputation schreibt. Er ist begeistert von der Prothesengruppe: „Durch das regelmäßige Training konnte ich nicht nur Stabilität und Kondition aufbauen, sondern auch mein Gangbild mit der Prothese deutlich verbessern.“
Da mittlerweile auch andere Menschen, die eine Behinderung haben, Interesse an einer Teilnahme bekundet haben, heißt die Gruppe nun Fitness mit Prothese oder Handicap. Immer wieder kommt auch Orthopädietechnikermeister Tim Vom Hagen von APT Prothesen vorbei und guckt, ob alles passt, auch die Paralympicssieger Heinrich Popow oder Markus Rehm schauten schon, wie die Prothesen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sitzen, schraubten daran rum oder organisierten Test-Federn.
Parasport-Geschäftsführer Jörg Frischmann ist voll des Lobes für die Gruppe und seine Trainerin: „Sie ist die optimale Trainerin dafür, weil sie einen Physiotherapie-Background hat, schon Fortbildungen zu Prothesen und Klassifizierung hatte und auch von der Leichtathletik viel versteht. Wir haben damit ein weiteres Element, wie wir Leute zum Sport bringen. Für Kinder hatten wir immer Angebote, aber es gab vorher keine Möglichkeit des Breitensports. Das ist die perfekte Ergänzung.“
Nico Feißt
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