Für Wissbegierige
Jörg Frischmann

| Parasport

„Ich war der Erste, der beim TSV Internet benutzt hat“

Wer Jörg Frischmann im Precamp der Para Leichtathletik-Nationalmannschaft in Südfrankreich gesehen hat, könnte denken, dass der ehemalige Para Speerwerfer und Kugelstoßer selbst in Paris 2024 starten möchte. Auf dem Klapprad war er stets aktiv, vom Team gab es aufgrund des hügeligen Geländes sogar das Bergtrikot der Tour de France dafür. Ein Comeback ist aber kein Thema – viel lieber will der 59-Jährige einen Monat vor seinem 60. Geburtstag über ein besonderes Jubiläum sprechen.


Jörg Frischmann, 25 Jahre hauptamtlicher Geschäftsführer der Parasport-Abteilung beim TSV Bayer 04 Leverkusen. Wie klingt das?
Das hätte ich mir am 1. Oktober 1998 auf jeden Fall nicht vorstellen können, dass ich das so lange machen werde.

Sondern? Was waren damals ihre Gedanken als Berufsanfänger?
Das Geilste war, dass ich ins Büro reingekommen bin und mich gefragt habe: Was sollst du eigentlich den ganzen Tag tun? Das war schnell verflogen.

Wie können wir uns das vorstellen?
Ich war der erste, der beim TSV Internet benutzt hat. Wie sich das heute entwickelt hat, die Schnelllebigkeit – das ist schon der Wahnsinn. Wenn heute der Computer aus ist, weißt du nicht mehr, wie du arbeiten sollst. Ich bin dem Verein sehr dankbar, dass er mir da die Freiheiten gegeben hat, diesen Weg zu beschreiten. 

Was war ausschlaggebend, dass die Parasport-Abteilung so erfolgreich geworden ist?
Der Grundstein dafür war sicherlich meine Hauptamtlichkeit, die beim TSV mit Unterstützung der Bayer AG eingeführt wurde und die mit den hauptamtlichen Tätigkeiten der Trainerinnen und Trainern in unseren drei Sportarten Para Leichtathletik, Para Schwimmen und Sitzvolleyball seine Fortsetzung fand.

Was waren die besten Momente abseits ihres eigenen Paralympics-Siegs in Sydney 2000?
Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Paralympics-Sieger und -Siegerinnen wir in all den Jahren entwickelt haben – das sagt schon alles. Wenn ich einen hervorheben muss, wäre das vielleicht sogar abseits des Leistungssports: Wenn bei den Talent Days Kids zum ersten Mal auf Prothesen stehen und dann an einem Wochenende dank unserer Partner, Trainerinnen und Trainern laufen lernen können – das ist für mich absolut herausragend und weiter ein kleines Wunder.

Und dass da auch Sportlerinnen und Sportler aktiv mithelfen?
Was uns auszeichnet ist, dass mehr als 80 % unserer Paralympics-Siegerinnen und -Sieger hier ihre sportliche Laufbahn begonnen und dann in den meisten Fällen auch beendet haben.

Und der beste Moment im Leistungssport?
Als Katrin Green 2008 in Peking als erste Internats-Absolventin Paralympics-Siegerin geworden ist. Leverkusen war das erste Internat, auf dem auch „Para“ draufstand. Damit haben wir einen Weg gezeigt, dem auch andere gefolgt sind. 

Gab es auch Momente, auf die Sie lieber verzichtet hätten?
Meinen Kreuzbandriss beim Fußball spielen gegen den FC Bundestag. Spaß beiseite, das Aus der Standvolleyballer nach den Paralympics 2008 war eine schwere Situation, weil das eine sehr erfolgreiche Sportart für uns war. Und das Aus der 4x100-Meter-Prothesen-Staffel ist für mich nach wie vor ein großer Fehler des IPC.

2008 beendeten Sie ihre aktive Karriere. Was hat sich danach geändert?
Meiner Frau habe ich gesagt: Alles wird ruhiger – aber das Gegenteil war der Fall, was die Trainer-Legende Karl-Heinz Düe schon vorher prophezeit hat. Die Zeit, in der ich früher trainiert habe, habe ich jetzt zusätzlich gearbeitet. Es ist ein Traumjob. Als Industriekaufmann habe ich immer auf die Uhr geguckt und mich gefragt: Wann ist 16 Uhr? Wann kann ich endlich trainieren? Heute ruft mich meine Frau an und ich merke, dass 19 Uhr ist, weil es mir so viel Spaß macht. Ich verdanke das nur meiner Familie, dass ich meinen Job so ausführen kann.

Was sind noch große Ziele, die sie sich für die nächste Zeit gesetzt haben?
Die 100. Medaille für Bayer bei den Paralympics – bei 90 sind wir aktuell.

Und was sind die Herausforderungen dabei?
Aktuell der Übergang der goldenen Generation zum Team 2028. Wir haben tolle Nachwuchsathletinnen und -athleten, vor denen aber noch viel Arbeit liegt. Ich hoffe, Sie gucken sich von den Älteren einiges ab. Für die weitere Zukunft müssen wir uns – auch gesamtgesellschaftlich – eine Nachwuchsstrategie überlegen. Schule bis 17 Uhr, Trendsportarten und die mangelnde Leistungsbereitschaft sind ein großes Problem.

Wann können Sie beruhigt in Rente gehen?
Wenn die Parasport-Abteilung so aufgestellt ist, dass die herausragenden Möglichkeiten hier am Standort auch in Zukunft optimal ausgenutzt werden können. Bei den Mitstreiterinnen und Mitstreitern, die ich momentan habe, bin ich da aber sehr optimistisch.

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