Spitzen-Leichtathletik zum Anfassen
Rund 2200 Zuschauer feiern bei den Classics in familiärer Atmosphäre etwa den Sieg von Sprinter Yohan Blake.
Yohan Blake hielt, was sein Name in der Startliste der TrueAthletes Classics versprochen hatte: Der 32 Jahre alte Jamaikaner, mit 9,69 Sekunden zweitschnellster Sprinter der Geschichte hinter Weltrekordhalter Usain Bolt (9,58) und neben Tyson Gay, brachte am Sonntag internationalen Glamour ins Manforter Stadion in Leverkusen. Ein bisschen Show bei seiner Vorstellung, das Halbfinale in 9,98 Sekunden gewonnen, dann der Sieg im Finale in 9,96 Sekunden, noch ein paar Autogramme für die Kinder am Rande der Laufbahn – und schon war Blakes Tagwerk zur Zufriedenheit aller vollbracht.
Die 100 Meter der Männer waren das sportliche Highlight des Leverkusener Leichtathletik-Meetings, das aber auch insgesamt zu überzeugen wusste. Es war die erste Ausgabe seit dem Beginn der Corona-Pandemie, die wieder mit Zuschauern stattfinden konnte. Die Tribüne war nahezu voll besetzt, in der Hochsprung- und Stabhochsprung-Kurve saßen viele Fans dicht an den Anlagen auf der Wiese, das war Spitzen-Leichtathletik zum Anfassen. Jörn Elberding, der Geschäftsführer des TSV Bayer 04 Leverkusen, resümierte: „Wir sind sehr zufrieden, wir hatten viele Zuschauer, eine tolle Stimmung, ein wirklich schönes Set-Up und einige richtig gute Leistungen.“
Bayer-Nachwuchs-Sprinter Eddie Reddemann hatte die Ehre, im Halbfinallauf von Yohan Blake zu stehen. „Was für ein Saisonabschluss“, sagte der 19-Jährige. Er habe zwar schon nach 30 Metern gemerkt, dass er nicht mithalten konnte, die Uhr stoppte schließlich bei für den Jungspund respektablen 10,50 Sekunden. „Mit Blake in einer Reihe, das zu Schnuppern, das war schon ein großes Ding“, sagte er. Sein verdienter Lohn: Ein Autogramm des jamaikanischen Weltmeisters und Staffel-Olympiasiegers.
Im Stabhochsprung der Männer flogen die Top drei über 5,81 Meter – und erfüllten damit bereits die Norm für die kommende WM 2023 in Budapest. Es siegte der WM-Dritte Ernest Obiena von den Philippinen vor Rutgar Koppelaar aus den Niederlanden und dem Australier Kurtis Marschall. Einziger Wehrmutstropfen: Der Leverkusener EM-Zweite Bo Kanda Lita Baehre verletzte sich bei seinem zweiten Versuch über 5,81 Meter und musste den Wettbewerb abbrechen.
Ihn habe am Ende des Anlaufs eine Windböe erwischt, erklärte Stabhochsprung-Bundestrainerin Christine Adams im Anschluss. Dadurch traf er den Einstichkasten mit seiner Stabspitze nicht richtig, der Flug misslang und Lita Baehre landete aus rund vier Metern Höhe seitlich neben der Matte. Er zog sich eine schmerzhafte Fersenprellung zu, verletzte sich aber offenbar erstaunlicherweise nicht schlimmer. Genaueres soll am Montag ein MRT klären. „Bo ist ein Büffel“, kommentierte Leichtathletik-Geschäftsführer Elberding. „Das ist wahrscheinlich ein etwas abruptes Ende seiner herausragenden Saison“, sagte Adams: „Aber ich denke, er wird dann normal ins Wintertraining starten können.“ Dabei wird Lita Baehre dann erstmals nicht von ihr angeleitet, sondern von seinem neuen, südafrikanischen Coach Chauncey Johnson.
Gar nicht erst angetreten war der zweite Leverkusener Spitzen-Springer Torben Blech. Ihn plagen seit anderthalb Monaten muskuläre Probleme in Gesäß und Oberschenkel. „Ich habe es probiert, aber es ging einfach nicht“, sagte er. Das Jahr war kein gutes für den 27 Jahre alten ehemaligen Mehrkämpfer. Aber er trägt es mit Fassung: „Das gehört dazu, das war jetzt mein viertes Jahr im Stabhochsprung, nächste Saison wird wieder besser.“
Besonders stimmungsvoll war auch der Hochsprung-Wettbewerb der Männer. Mateusz Przybylko wollte im Bayer-Trikot noch einmal zeigen, dass er in diesem Jahr zu alter Form zurückgefunden hat, auch wenn die WM und die EM nicht so erfolgreich wie erhofft für ihn verlaufen waren. Allerdings blieb der ehemalige Europameister bei 2,18 Metern hängen und konnte nicht mehr in das Duell zwischen Fernando Ferreira und Edgar Rivera eingreifen. Der Brasilianer und der Mexikaner kamen bis 2,25 Meter und legten dabei wechselweise einen mitreißenden Flirt mit dem Publikum hin.
„Es ist rappelvoll und so schön, die Leute haben Spaß, das merkt man richtig“, sagte Przybylko nach dem Sieg von Ferreira. Er selbst hatte sich bei seinem siebten Platz am Freitag beim Diamond Meeting in Lausanne (2,20 Meter) die Muskulatur im Rücken blockiert. „Ich bin halt keine 20 mehr, sondern auch schon 30.“ Ans Aufhören denkt der Leverkusener aber nicht. Auch wenn es in dieser Saison noch nicht wieder zu internationalen Spitzenresultaten gereicht hat – es geht aufwärts bei Mateusz Przybylko: „Ich habe was drauf, das merke ich. Der Fuß hält, jetzt darf ich mich nur nicht selbst zerlegen.“ Sein großes Ziel sei nun das olympische Finale von Paris 2024.
Absagen musste leider auch Bayer-Spitzenläuferin Konstanze Klosterhalfen. Sie wollte sich über 1500 Meter auf ihrer Heim-Anlage zeigen – doch eine Mandelentzündung stoppte die frisch gekürte 5000-Meter-Europameisterin. Erfreulich waren dafür noch die Auftritte von zwei jungen Leverkusener Athleten: Der 17 Jahre alte Speerwerfer Max Dehning steigerte sich auf 79,13 Meter und wurde Dritter. Und der 21 Jahre alte Tom Klose knackte im 800-Meter-Rennen eine magische Marke: Seine PB steht nun bei 1:49,94 Sekunden.
Fotos: Oliver Heuser
Mehr aus dem Bereich Leichtathletik lesen.