Tolle EM-Bilanz: Ein Titel und drei Medaillen
Je einmal Gold, Silber und Bronze – das ist die Bilanz des TSV Bayer 04 Leverkusen bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin.
Herausragend: die „goldene Flugshow“ von Mateusz Przybylko, der als Hochsprung-Europameister 2,35 Meter bewältigte. Sprinterin Gina Lückenkemper holte das angepeilte doppelte Edelmetall, Langstrecklerin Konstanze Klosterhalfen Platz vier.
Eine überaus positive Bilanz haben die Strippenzieher der Leichtathletik-Abteilung des TSV Bayer 04 Leverkusen nach den einwöchigen Europameisterschaften in Berlin gezogen. „Insgesamt war es grandios und eine Riesenwerbung für die Leichtathletik“, sagte Abteilungs-Geschäftsführer Jörn Elberding. „Das Publikum war extremst sachlich, fachlich und fair. Und enthusiastisch, wie man es sonst nur aus Großbritannien kennt“, so der frühere Stabhochsprung-Bundestrainer. „Aus unserer Sicht war natürlich Mateusz Przybylko überragend. Er hat den Wettkampf seines Lebens abgeliefert. Damit würde er auch in jedem Olympiafinale bestehen“, urteilt Jörn Elberding.
Jede Höhe übersprang Mateusz Przybylko im ersten Versuch – bei 2,19 Meter beginnend bis einschließlich zur Einstellung der persönlichen Bestleistung von 2,35 Metern – eine blitzblanke Bilanz. Eine Höhe, die neben dem 26-Jährigen kein Mitbewerber schaffte. Stets baute Mateusz Przybylko fast noch ein Haus, hätte über der Latte kaum etwas besser machen können. Immer wieder das Publikum zum Anfeuern animierend, blieb der Athlet von Hans-Jörg Thomaskamp auf Kurs – ein echter Wettkampftyp. Schnell im Anlauf, klar im Kopf.
Am deutschen Rekord versuchte sich Mateusz Przybylko dann noch vergebens. Weil die Schulter störte, purzelte die Latte bei 2,38 Metern. „Oh, wie ist das schön“, sangen die Zuschauer auf den Rängen, das Olympiastadion bebte, als das EM-Gold perfekt war. Nach seiner goldenen Flugshow war Mateusz Przybylko nicht mehr zu halten und ließ sich von seinen Gefühlen tragen. Völlig losgelöst hüpfte er über die blaue Bahn, tanzte mit Maskottchen Berlino und drehte unter dem Jubel von 60.500 Fans eine nicht enden wollende Ehrenrunde. „Es war unglaublich, so aufregend mit dieser tollen Publikumskulisse. Trotzdem war ich sehr nervös. Aber das Publikum hat mich förmlich über die Latte getragen“, sagte der Extraklasse-Hochspringer. Für Douwe Amels, der für die Niederlande startete, war nach übersprungenen 2,19 Meter schon Schluss. Im Gesamtklassement belegte der frühere U23-Europameister, der in Leverkusen lebt und trainiert, Platz acht.
Ausnahmesprinterin Gina Lückenkemper erfüllte sich ihren Traum von zwei Medaillen. Nachdem sie schon im Vorlauf in 10,98 Sekunden das zweite Mal in ihrer noch jungen Karriere die Elf-Sekunden-Marke unterboten hatte, wiederholte sie ihr Meisterstück im 100-Meter-Finale noch einmal und holte in 10,98 Sekunden hinter Dina Asher-Smith (Großbritannien; 10,85 Sekunden) Silber. „Man kann sich im Vorfeld noch so oft vorstellen, wie das Gefühl sein muss, von 50.000 Zuschauern bejubelt zu werden. In der Realität ist das einfach unbeschreiblich. Auch wenn mir die 400 Meter definitiv zu lang sind, habe ich jede einzelne Sekunde meiner Ehrenrunde genossen. Es ist unfassbar“, erklärte die Athletin von Uli Kunst. Teamgeist, schnelle Beine und ein unfassbares Publikum im Rücken – das waren die Erfolgsgaranten für die Sprintstaffel, die einen aus deutscher Sicht gelungenen Schlussakkord setzte. Nach dem mühelosen Vorlaufsieg traten Lisa-Marie Kwayie (Neuköllner SF Berlin), Gina Lückenkemper (TSV Bayer 04 Leverkusen), Tatjana Pinto (LC Paderborn) und Rebekka Haase (LV 90 Erzgebirge) im Finale wie euphorisiert auf, schafften es wieder aufs Podest und holten in der Saisonbestzeit von 42,23 Sekunden Bronze. „Diese Medaille zu gewinnen, war ein toller Erfolg. Die Konkurrenz war immens stark“, jubelte Gina Lückenkemper.
Konstanze Klosterhalfen erkämpfte über 5.000 Meter mit der Saisonbestzeit von 15:03,73 Minuten Platz vier. Für sie war es erst der vierte Lauf in dieser Saison. Doch von der Knieverletzung, die sie lange eingeschränkt hatte, war im Berliner Olympiastadion nichts zu spüren. In bewährter Manier zog die 21-Jährige ihren Schritt. Dass gegen Favoritin Sifan Hassan (Niederlande) kein Kraut gewachsen sein würde, stand bereits vorher fest. Entsprechend deutlich fiel der Sieg der gebürtigen Äthiopierin aus, die in 14:46,13 Minuten Meisterschaftsrekord lief. Doch Konstanze Klosterhalfen hielt sich auf den zwölfeinhalb Runden mehr als achtbar. Vom Publikum mächtig angefeuert, reihte sie sich anfangs an vierter Stelle ein. 3:05 Minuten bei 1.000 Metern – eine flotte Fahrt. Vier Runden vor Schluss war an der Spitze noch ein Quintett zusammen. 600 Meter vor Schluss musste die Athletin von Sebastian Weiß dann leicht abreißen lassen. Am Hausrekord fehlten nur zwölf Sekunden. Diese Zeit hätte zu EM-Silber gereicht. „Von der Zeit her habe ich schon wieder einen guten Schritt nach vorn gemacht. Ich werde auf jeden Fall noch ein paar Rennen laufen und hoffe, dass ich mich da noch verbessern kann. Es war ein unbeschreibliches Gefühl hier zu laufen“, sagte Konstanze Klosterhalfen. Denise Krebs, die in Nürnberg ihre 5.000-Meter-Bestzeit als DM-Dritte auf 15:26,58 Minuten gesteigert hatte, lief nach einem Sturz in der zweiten Runde sozusagen ihr eigenes Rennen. Die 31-Jährige finishte schließlich in 16:07,98 Minuten als 14. Wegen anhaltender Fußschmerzen und weil sie sich mehrere Schnittwunden zugezogen hatte, musste sie sich später ins Krankenhaus begeben. „Unter normalen Umständen wäre der achte Platz auf jeden Fall drin gewesen", bedauerte ihr Heim- und Bundestrainer Sebastian Weiß die Entwicklung.
Siebenkämpferin Mareike Arndt konnte nicht mehr zum abschließenden 800-Meter-Lauf antreten. Auf dem Weg vom Stadion ins Hotel war sie in einen Verkehrsunfall verwickelt und wurde in die Klinik gebracht. Vor der Abschlussdisziplin hatte Mareike Arndt auf Platz zwölf gelegen und sich im mit Weltklasse-Athletinnen gespickten und von Olympiasiegerin Nafi Thiam (Belgien) angeführten Feld überaus achtbar gehalten. Am ersten der beiden Wettkampftage bestach die Deutsche Meisterin der letzten zwei Jahre insbesondere mit der persönlichen 200-Meter-Bestzeit von 23,61 Sekunden. Zuvor konnte sie im Kugelstoßen mit 14,65 Metern, der insgesamt drittbesten Weite, ihre Stärke ausspielen. Im Weitsprung wurden solide 5,91 Meter gemessen, im Speerwurf gute 42,58 Meter. Im Rahmen blieben ihre Leistungen über 100 Meter Hürden (13,64 sec) und im Hochsprung (1,64 m). „Ein bisschen was essen, runterkommen und dann laufen“, hatte Mareike Arndt eingangs der Mittagspause noch gescherzt. „Ich möchte noch einiges von der Stimmung hier mitnehmen, die ist wirklich unglaublich.“ Sie trug eine Gehirnerschütterung davon und musste zur Beobachtung einen Tag in der Berliner Charité bleiben.
Der Deutsche Meister Bo Kanda Lita Baehre verpasste den Einzug in das Finale der Stabhochspringer. Der 19-Jährige bewältigte in der Qualifikation 5,51 Meter, nicht aber die geforderten 5,61 Meter. Auch Sprinter Aleixo Platini Menga und Speerwerferin Dana Bergrath schafften es nicht in die Finals. Katharina Molitor, der Speerwurf-Weltmeisterin von 2015, kündigte nach dem Aus in der Qualifikation ihr Karriereende an. „Es lief ganz schlecht. Die Saison war insgesamt nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Wie es jetzt weitergeht, weiß ich noch nicht genau. Ich könnte noch bei zwei, drei Wettkämpfen starten. Das war auf jeden Fall meine letzte Saison. Ich hatte eine gute Karriere, jetzt ist der richtige Zeitpunkt.“
Harald Koken
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