Für Kämpfertypen
Benno Schmidt mit Trainerin Sara Grädtke. Foto: Pulsfort
Benno Schmidt mit Trainerin Sara Grädtke. Foto: Pulsfort

| Parasport

Benno Schmidt: Mit dem Dreirad nach Paris

Es sollte eine ganz normale Trainingsfahrt werden, eine von unzähligen Einheiten vor dem bekannten Pfingstrennen in Köln-Longerich. Für Benno Schmidt allerdings, den hobbymäßigen Rennrad-Lizenzfahrer, änderte dieser Tag im Frühjahr 2017 alles. Ein schlimmer Unfall machte den sportbegeisterten Technischen Leiter der Energieversorgung Leverkusen von heute auf morgen zum Invaliden. Auch wenn er seinen Frieden mit der Situation noch längst nicht machen konnte, immerhin sportlich hat der heute 57-Jährige neue Hoffnung geschöpft: Als Para-Radfahrer ist er bereits international erfolgreich und liebäugelt mit einer Teilnahme an den Paralympics 2024 in Paris.


Die Wettkämpfe, wie hier beim WM-Zeitfahren, sind auch für Benno Schmidt das Salz in der Suppe.
Die Wettkämpfe, wie hier beim WM-Zeitfahren, sind auch für Benno Schmidt das Salz in der Suppe.

Den Unfallhergang selbst kennt Benno Schmidt nur von Zeugenaussagen und aus Polizeiakten: Ein Autofahrer übersah demnach den damals 52-Jährigen an einem Kreisverkehr in Opladen, Schmidt schlug mit dem Gesicht auf die Motorhaube, flog durch die Luft und erlitt beim Aufprall auf die Straße schwere Kopfverletzungen sowie Schädigungen an der Halswirbelsäule einschließlich des Rückenmarks. Diverse neurologische Probleme waren die Folge.

Insbesondere der „Schwindel zentralen Ursprungs“ verhindert, dass Benno Schmidt auf einem „normalen“ Fahrrad fahren kann. Zu groß ist das Risiko, bei einem Schwindelanfall zu stürzen. Dennoch: Die Idee, auf ein Dreirad umzusteigen, wäre dem zweifachen Familienvater von selbst vielleicht nie in den Sinn gekommen. Auch als sein Therapeut, selber Physio im Para-Tennis, ihm diese Möglichkeit näherbrachte, wollte er davon zunächst nicht viel wissen: „Für mich war klar, dass ich wieder ganz normal Rennrad fahre“, so die Einstellung von Benno Schmidt, der bei dem Unfall immerhin keine Knochenbrüche erlitten hatte. Bereits im Oktober nach dem Unfall saß der frühere Zeitsoldat in der Garage auf seinem Rad auf dem Rollentrainer. „Auf der Straße hat es allerdings nicht gut funktioniert“, gesteht der vielseitige Hobbysportler.

Es dauerte bis zu seinem zweiten gesundheitlichen Rückschlag Anfang 2021 – bereits 2019 war er kurzzeitig halbseitig gelähmt – eher er das Dreirad als wesentlichen Teil der Lösung akzeptierte. Im August 2021 stand für Benno Schmidt fest: Wenn er weiter seinen geliebten Radsport betreiben möchte, kommt er um das Dreirad nicht herum. Von da an ging es sportlich steil bergauf. In der Parasport-Abteilung des TSV Bayer 04 fand der athletische Mittfünfziger Anschluss und sehr gute Betreuung in Person von Geschäftsführer Jörg Frischmann und Trainerin Sara Graedtke. Neben der wertvollen Unterstützung im organisatorischen Bereich möchte Benno Schmidt das gemeinsame Training in der Gruppe „Fit mit und ohne Prothese“ nicht mehr missen. „Sara macht das unglaublich gut, da gehe ich richtig gerne hin“, schwärmt Benno Schmidt, der mehrere Stunden pro Woche mit und ohne Rad trainiert. Seine eigenen gute Erfahrungen decken sich mit den positiven Eindrücken der anderen in der Gruppe. „Ich kann allen, die aus welchen Gründen auch immer nicht am regulären Sportbetrieb teilnehmen können, diese Gruppe nur an Herz legen. Das ist wie eine Gruppentherapie.“

Hier werden auch wichtige athletische Grundlagen für die Wettkämpfe auf seinem neuen Sportgerät gelegt. „Das Rad und ich sind inzwischen richtig gute Freunde geworden“, berichtet der Frührentner. „Wenn ich auf dem Dreirad sitze, ist das fast wie vor dem Unfall. Ich habe ein wesentliches Stück Freiheit zurückgewonnen.“ Apropos gewonnen: Die Erfolge können sich schon sehen lassen: Gerade mal eine Woche, nachdem er im März vergangenen Jahres sein Dreirad bekommen hatte, fuhr der Leverkusener beim Weltcup im belgischen Ostende auf Platz 5. Sogar aufs Podest ging es mit Platz 3 bei der anschließenden EM österreichischen Peuerbach, was zugleich die Qualifikation für die WM in Kanada bedeutete. Dort kurbelte er sein Gefährt wiederum sowohl im Straßenrennen als auch beim Zeitfahren auf Platz 5. Damit gehört er zum Perspektivkader, erhält unter anderem Unterstützung durch den Olympiastützpunkt Rheinland und ist nun voll in der Vorbereitung für dieses Jahr.

Bei den anstehenden Weltcups geht es um wichtige Punkte für die Paralympics 2024. Für Benno Schmidt ist Paris auf jeden Fall ein Ziel. Doch auch das hat er gelernt: „Mit dem Kopf durch die Wand geht gar nichts“. Achtsamkeit und Geduld sind in seiner Situation wichtiger als jeder Ehrgeiz. Denn ein Ziel steht über allen anderen: Den jetzigen Gesundheitszustand mindestens beibehalten.

Uwe Pulsfort

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